
Nicht alle Therapeuten kennen sich mit Trauma gut aus. Bei ein paar geht es immer noch um den KrankheitsAspekt, die Störung und darum, möglichst schnell möglichst viel vom toxischen Stress abzubauen und loszuwerden. Aber unser Nervensystem funktioniert nicht so. ‚Trauma-informed care‘ bedeutet: Bei einem Trauma dürfen wir nichts überstürzen. Eine Stabilisierungsphase zu Anfang ergibt Sinn, sowie eine langsame Annäherung an die Probleme, die daraus entstanden sind. Sie kennen lernen und erkennen – und erst dann Veränderungen überlegen und angehen.
Was bedeutet trauma-informed (care) noch konkreter?
Ich habe in Erinnerung, dass einer der folgenden Autoren es war, Peter Levine, Steven Porges, Richard Kluft oder/ und doch eine andereR, die das ausgiebiger beschrieben haben. – und vielleicht sogar mit dieser Stelle den Fachbegriff ‚trauma-informed (care)‘ eingeführt haben. Es waren die Trauma-Wissenschaftler Harris und Fallot, die den Begriff ‚trauma-informed care‘ bekannt gemacht haben. Unten mehr dazu.
Für mich war die Anwendung davon immer eine logische Sache, weil ich es so gelernt habe – und anders es auch keinen Sinn ergibt. Die Fachleute und Trauma-Experten sind sich über dieses Konzept ‚trauma-informed care‘ ebenfalls einig: Wir wollen niemanden REtraumatisieren. Damit ist gemeint, dass in einer gesundheitsfördernden Therapie kein Wieder-Erleben von traumatischen Inhalten so statt finden darf und soll, das sie überwältigend wirken (was einer Re-Traumatisierung entspricht).
Die Kunst in der Trauma-Therapie ist es, ein gesundes Gleichgewicht zu halten. Auf der einen Seite ist es wichtig, stabilisierend zu wirken und auf der anderen Seite die Trauma-Verarbeitung anzustoßen, um das Zusammenwachsen zu stärken.
Anfangs wird bei der Trauma-Therapie sehr auf Stabilisierung geachtet. Wenn die Verbindung zwischen Trauma-Therapeuten und KlientIn tragfähiger wird, können neue Bereiche der Psyche exploriert werden. D.h. wir erforschen dann gemeinsam nicht so offensichtliche Zusammenhänge. Aber wir passen auch gut auf, dass Du im „grünen Bereich“ bleibst. Minea und ich, Norbert, sind Trauma-informed. Unser (Gold-) Standard ist immer und ausschließlich: Trauma-informed care.
Begriffserklärung Trauma-informed care
Die Trauma-Forscher Maxine Harris und Roger Fallot arbeiteten mit U.S. amerikanischen Kriegsveteranen und hatten genug von der Frage: „what’s wrong with you?“ [Was ist falsch mit Dir? oder nicht ganz wörtlich übersetzt: Was stimmt denn mit Dir nicht? Was ist denn mit Dir nicht ganz richtig? mit dem Verdacht und der unterschwelligen Botschaft, dass Du nicht richtig funktionierst.] Die Wissenschaftler interessierte mehr: „What happened to you?“ [Was ist Dir passiert?] Und das wollten sie auch nicht alles auf einmal und mit der Holzhammer-Methode wissen. Ihnen war völlig klar, dass sie eine ReTraumatisierung vermeiden wollen. Sie wussten, dass das für die Trauma-Therapie ein Rückschlag wäre. In ihrem 2001 veröffentlichten Buch haben sie fünf Prinzipien ausgearbeitet, um eine Trauma-sensible Hilfestellung anbieten zu können.1 Siehe dazu auch folgend:

Die 5 Richtlinien zur Trauma-informed care
- safety [Sicherheit] – Sicherheit ist wichtig, um überhaupt darüber reden zu können. Eine Beziehung zwischen den Therapeuten und Dir entsteht nicht in den ersten 5 Minuten. 🙂 Das Trauma ist entstanden, weil ein Täter Dir das Gegenteil von Sicherheit gegeben hat und Dir Gewalt angetan hat. Sie oder er ist über Deine Grenzen gegangen. In der Therapie wollen wir eine Wiederholung verhindern. Deine Grenzen bleiben gewahrt. Wir bieten Sicherheit an, und wir achten darauf, dass Du im Toleranzfenster bleibst – später in einem anderen Blog-Artikel mehr dazu. (Der Blog-Artikel zum Toleranzfenster ist noch nicht online. Stand, 12.12.2025)
- trustworthiness [Vertrauen] – Ähnlich wie beim Punkt Sicherheit beschrieben, wäre es komisch, Wildfremden alles zu erzählen. Therapeuten sind nicht die Regenbogen-Presse, aber auch hier gilt, dass ein Vertrauensverhältnis meistens ein paar Minuten braucht. Das Trauma ist entstanden, weil ein Täter nicht vertrauenswürdig war und über Deine Grenzen gegangen ist. – Toleranzfenster …
- choice [Wahlmöglichkeit] – Alles auf einmal zum Trauma auspacken zu wollen, bringt keine Erleichterung, sondern führt ganz schnell zu Überforderung, Überlastung und toxischem Stress. Michaela Huber bringt dazu regelmäßig ein Zitat von Richard Kluft ein: „The slower you go, the faster you get there.“ Ein langsames Arbeiten mit der Wahlmöglichkeit, Dinge auszusprechen oder noch für einen Moment zurück zu stellen, bringt Entspannung in der Trauma-Therapie. Du sagst soviel, wie für Dich und Deine Anteile gut ist. Das für Dich eingeführte Stopp-Signal verhindert, dass es Dir zu viel wird und Du über Deine Grenzen gehst. In unserer Trauma-Therapie bleibst Du im Toleranzfenster. 🙂
- collaboration [Zusammenarbeit] – Durch die Verbindung mit den Vertrauten kann in der Trauma-Therapie eine Co-Regulation statt finden. Du bekommst Unterstützung von Minea und/oder mir, um Dein Nervensystem gut zu regulieren. Wir bleiben im Toleranzfenster.
- empowerment [Ermächtigung, Stärkung] – Der letzte aufgelistete Punkt ist sehr wichtig für den oder die Betroffene. Die Trauma-Therapie soll Dich stärken und ermächtigen, wieder mehr ins Leben zu kommen (und die schlimmen Erlebnisse hinter Dir zu lassen). Auch dabei schauen wir ganz bewusst auf das Toleranzfenster.
Trauma bedeutet Wunde
Viel zu oft ist das Trauma-Opfer doppelt bestraft. Nicht nur, dass das Trauma diesem Menschen passiert ist, ist sehr schlimm. Nein, die schlimmen Ereignisse hinterlassen Spuren im Nervensystem. Die strukturelle Dissoziation nimmt ihren Gang und. Jeder Menschen, der ein Trauma erlebt hat, verändert sich danach psychisch (Gehirn-organisch und geistig) nachhaltig.
Michaela Huber sagt: Trauma bedeutet Wunde. – Es ist besser, nur ausgebildete Leute an die Wunde zu lassen. Nur die, die wissen, wie man mit einer Wunde richtig umgeht; z.B. ein Wund-Arzt. Leute, die unnötig den Schorf abkratzen und die Wunde damit neu öffnen und ihr Werkzeug nicht desinfiziert haben und trotzdem in der Wunde herum stochern, sollte mensch besser von seinen Verletzungen fern halten. Ähnlich wie bei einer Wunde verhält es sich mit der Trauma-Therapie.
Warum ist Trauma-informiertes Arbeiten so wichtig?
Leute, die auf „Teufel, komm raus“ alles auf einmal aufdecken wollen, provozieren einen Flashback herauf. Das entspricht und bedeutet ReTraumatisierung. Die Erlebnisse, die damals traumatisiert haben, werden so ins Gedächtnis zurück geholt, dass sie wieder und aufs Neue überwältigen und traumatisieren.
Eine ReTraumatisierung wollen alle, die ‚Trauma-informed care‘ ausüben, unbedingt verhindern. Von der Katharsis, die die Griechen als reinigend und (auf)lösend beschrieben haben, weiß die Wissenschaft heute auch, dass das nicht sinnvoll ist. ‚resisting re-traumatization‘ [Widerstand gegen ReTraumatisierung] definiert die US-Behörde für medizinische Care-Arbeit (CMS.gov) als zentralen Baustein.2 Siehe auch folgend:
Die 4 R’s, die in der Trauma-Therapie helfen, Dir als KlientIn und den TherapeutInnen
Hol‘ Dir Unterstützung für Dein Leben – und hab‘ keine Bedenken: Natürlich arbeiten wir nach den Empfehlungen der Trauma-Experten. 🙂 Wir wenden ihr etablierten Wissen und die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Trauma-Therapie an. Für uns sind alle 4 R’s wichtig:
- resisting re-traumatization [Widerstand gegen ReTraumatisierung] … Siehe oben (was vorhin in diesem Blog-Artikel behandelt wurde, kennst Du ja bereits. Die übrigen 3 R’s lauten: )
- realize [realisieren, begreifen] – Lass uns begreifen, dass Dein Trauma in Deinem Leben eine Rolle spielt. Deine Alltagspersönlichkeit(en) will bzw. wollen das am Liebsten ignorieren und nur funktionieren. Aber Dein Innenleben ist anderer Meinung und wird sich nicht für immer wegdrücken lassen. Von dem her ergibt das Beachten der emotionalen Abspaltungen in der Trauma-Therapie Sinn.
- recognize [bemerken, wahr nehmen] – Bemerke, dass Deine Traumata Symtome zeigen und bei Triggern [Auslösern] erneut hoch kommen können. Was das für Dich bedeutet, besprechen wir in der Therapie. Sich wegzudrehen und das nicht wahr haben wollen, ist auf Dauer nicht möglich. Deshalb ist es besser, wir schauen uns das vorsichtig an. (Woraus sich dann auch der letzte Punkt ergibt: )
- respond with a trauma-informed approach [reagiere mit einem Trauma-informierten Ansatz] und suche Dir eine Trauma-Therapie aus, bei der sich die TherapeutInnen gut mit dem Umgang mit Traumata auskennen, informiert und ausgebildet sind.
Exkurs zur falschen Aussage: Tauma-Therapie sei „schädlich“, wenn man keine PTBS hat
Eine Therapeutin sagte mir vor kurzem, dass Menschen, die keine Post-traumatische Belastungsstörung (PTBS) haben, keine Trauma-Therapie machen sollten. Das sei sogar schädlich, meinte sie zu mir. Ich war total perplex und habe überhaupt nicht verstanden, wie sie darauf kommt. Erst als ich mich mit ein paar Personen darüber ausgetauscht hatte, konnte ich ihre Aussage ein bisschen nachvollziehen. Wahrscheinlich redete sie von zu früher Exposition oder sogar Trauma-Konfrontation und dem Versuch, Traumatisierte „abzuhärten“. Aber das funktioniert nicht – und hat nichts mit Trauma-informed care zu tun!
Peter Levine hat in seinem Buch ‚Trauma und Gedächtnis‘3 ein ganzes Kapitel den Missverständnissen in der Trauma-Therapie gewidmet. Er beschreibt darin, dass viele ehemalige Kriegs-Soldaten ihre Behandlungen in den 1980ern abgebrochen haben, weil ihnen die direkte Trauma-Konfrontation nicht geholfen, sondern geschadet hat.
Aber es gibt sie leider noch immer da draußen: TherapeutInnen, die keine Ahnung haben, was sie anrichten können. TherapeutInnen, die allen Ernstes sagen, sie müssen zum ‚hot spot‘ und gar nicht merken, dass das die KlientIn komplett überfordert und re-traumatisiert. Sie kennen den Weg der Trauma-informed care-Arbeit nicht. Sonst wüssten sie, dass Überforderung und Überlastung nur noch mehr Probleme macht, anstatt sie zu lösen.
Für mich, Norbert Hopfner, ist das heute so realitätsfremd, dass ich nicht einmal auf diese Idee gekommen bin, dass die erwähnte Therapeutin eine Konfrontations-Methode meinen könnte. Ich wünsche mir ehrlich und von ganzem Herzen: Lass auch diese TherapeutInnen die Einsicht gewinnen, dass ein Trauma-sensibler Umgang für ihre KlientInnen mehr Heilung bringt.
Erkennen und Kennen von Traumafolge-Störungen
In einer Doku auf dem Sender ‚arte‘ habe ich die französische Fach-Ärztin Cwajgenbaum gesehen. Sie hat über Traumafolge-Störungen im Allgemeinen und über die DIS im Besonderen gesagt: „Zum Erkennen einer Krankheit muss man diese kennen.“4 Wenn die Psychiater oder Psychotherapeuten gar nicht glauben, dass es Menschen gibt, die eine ‚Dissoziative Identitätsstörung‘ (Abkürzung DIS, früher hieß es ‚Multiple Persönlichkeitsstörung‘) haben, dann werden sie die auch nicht diagnostizieren.
Und andere glauben, dass Trauma-Therapie schade, weil sie sich darunter NUR Expositionen (neuerliche Konfrontationen mit dem Trauma) vorstellen können. Das wäre unvorbereitet wirklich schädlich, weil es unweigerlich re-traumatisierend wirken würde. Aber das machen richtig ausgebildete Trauma-Therapeuten heute nicht mehr so. Es entspricht nicht mehr den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Zeitgeist. Es ist altbacken und überholt. Die Trauma-Therapie hat sich in den letzten Jahrzehnten weiter entwickelt und bietet andere Wege. 🙂 Das könnte die NeuVerarbeitung (das R für Re-processing aus dem EMDR – schau mal hier) sein oder/ und die Integration von Anteilen in ein Selbst-System. (Wir arbeiten mit Anteilen nach Michaela Huber.)
Rätsel: Nährender Weg, der Dir hilft – und Dich unterstützt
… beim Erkennen, Bemerken und Reagieren auf Traumata, sowie Widerstand-leisten gegen Re-Traumatisierungen. Gesucht ist ein Lösungswort mit 5 Buchstaben vor dem Punkt und 3 danach.– Wie lautet es?
zuWeg.net – Mach Dich auf den Weg. 🙂
Wir von zuWeg.net sind Trauma-informiert und bieten Dir unseren Service an. Wir arbeiten vorsichtig, um in Deinem Toleranzfenster zu bleiben und keine Überwältigung oder ReTraumatisierung auszulösen. Unser Angebot soll Dir helfen, neue Sicherheit zu spüren. Es soll Dir nach unserer Arbeit besser gehen, auch wenn diese Aussicht vielleicht noch in der Ferne liegt. Mach Dich mit uns auf den Weg. Lass Deine Trauma-Geschichte hinter Dir. Endgültig, so dass sie Dich nicht mehr einholt und verfolgt. Veränder‘ Dein Leben. Mach‘ den ersten Schritt und nimm Kontakt mit uns auf oder schreib‘ unten ein Kommentar. – Sei zu Weg! 🙂
- vgl. Web-Seite https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK604200/ Trauma-Informed Therapy – StatPearls – National Library of Medicine; abgerufen am 2025-12-11 ↩︎
- Dieses Vorgehen folgt den wissenschaftlichen Prinzipien der Trauma-Informed care.
vgl. Seite https://www.cms.gov/files/document/coe-nf-apply-4rs-trauma-informed-approach-nursing-facilities-final-508.pdf Center of excellence for behavioral health in nursing facilities – Apply the 4Rs to Create a Trauma-Informed Approach in Nursing Facilities ↩︎ - vgl. Buch von Peter Levine – Trauma und Gedächtnis: Die Spuren unserer Erinnerung in Körper und Gehirn – Wie wir traumatische Erfahrungen verstehen und verarbeiten; Kösel Verlag; 2016 ↩︎
- Dr. Florence Cwajgenbaum (französische Psychiaterin und Expertin für Traumafolgestörungen und dissoziative Störungen) in der Doku ‚Das geteilte Ich – Leben mit dissoziativer Identitätsstörung‘, Original-Titel: Moi, multi-identités; Regie/ von: Liz Wieskerstrauch; mit u.a. Trauma-Experte Ellert Nijenhuis; Sender der Erstausstrahlung (Deutsch): Arte; Produktionsjahr: 2025; Länge: ca. 54 Minuten;
Hinweis auf der DGTD-Seite: https://www.dgtd.de/aktuelles/965-das-geteilte-ich-leben-mit-dissoziativer-identitaetsstoerung – abgerufen am 12.12.2025; auf der Seite gibt es einen Link zur Mediathek von Arte; aktuell dort verfügbar bis 5.3.2026
mehr Infos zu Dr. Ellert Nijenhuis, Ph.D.: Trauma-Experte und Mit-Entwickler der Theorie zur strukturellen Dissoziation; sein Therapie-Ansatz: Enaktive Traumatherapie, Fokus: körperliche Empfindungen, Handlungen, Integration fragmentierter Persönlichkeitsanteile, Ziel: Schonende Wiedergewinnung von Kontrolle/Handlungsfähigkeit – was auch alles bestens zum Artikel über ‚Trauma-informed care‘ passt. 🙂 ↩︎
