Arbeitszeugnis, bitte

Es ist ein spezieller Moment, Dein Arbeitszeugnis anzufordern. Die letzten Verhandlungen haben begonnen. Wenn Du gekündigt hast, weil Du einem Burn-out nahe warst oder schon drin steckst, dann hast Du die Reißleine gezogen. Gratuliere! Das Dienstzeugnis ist die letzte Möglichkeit, dass die Führungsebene Deiner ehemaligen Firma Macht ausüben kann. Die letzten Zuckungen nach Deinem Befreiungsschlag.

vom Dienst abtreten

Der letzte Akt ist in vollem Gange, wenn Du gekündigt hast und Dein Dienstzeugnis anforderst. Die meisten Arbeitgeber, und Personaler ganz speziell, sind beleidigt, weil Du die Kündigung eingereicht hast. Sie verstehen nicht, dass in ihrer Firma unhaltbare Zustände bestehen und Dich die Arbeit dort krank macht. Vielleicht bist Du auch schon vom Dienst abgetreten und hast Dich krank abgemeldet, weil Dir die Umstände auf Deiner Arbeit nicht gut bekommen sind. Ich kenne das, weil mir ist es auch schon so ergangen. Du kannst mich gerne hinzuziehen, wenn Du Unterstützung in eigener Sache brauchst.

Arbeitsbedingungen

Theoretisch könnte die Führungsliga Deiner Firma die Bedingungen ändern. Aber sie tun es nicht. Die Gründe dafür könnten sein bzw. die schlechten Arbeitsbedingungen ergeben sich aus: 
a) Mangel an Ressourcen; Damit sind v.a. Mangel an Zeit und Mangel an  ‚manpower‘ gemeint.
b) ‚upscaling‘ vom Unternehmen – Wachstum, das aber auch eine größere Struktur braucht. Davon sind besonders Start-ups betroffen, die um jeden Preis wachsen wollen. Aber viel mehr an Aufträgen braucht auch eine stabile Struktur, die das aushält. Kleine unbedachte Fehler potenzieren sich, wenn nicht sauber vorgearbeitet wurde.
c) chaotische Organisations-Zustände – Es gibt keine geregelten Abläufe. Das kann sich aus Punkt a und b ergeben. Konkret bedeutet das, dass nicht definiert ist, wer was zu tun hat und sich einzelne Abteilungen bekriegen.

Meistens wirken dies Gründe miteinander und ineinander und schaukeln sich gegenseitig hoch. Wenn das genug lange anhält, empfindest Du diese Arbeits-Situation als zermürbend. (Mehr dazu …)

Arbeitszeugnis anfordern; Dienstzeugnis nach dem Befreiungsschlag; Burn-out; Depression am Arbeitsplatz;
Satire mit wahrem Kern 🙂 Tote brauchen kein Arbeits-Zeugnis.

chaotische Organisations-Zustände

Angefallene Arbeit soll von anderen erledigt werden. Es ist nicht klar definiert, wer was zu tun hat. Deshalb ist es möglich, das Arbeiten „zugeschanzt“ werden. Unbeliebte Arbeit soll der oder die Abteilung machen, die sich nicht genug wehrt. Respektive wer laut schreit und Krawall macht, kann es noch abwenden. Der oder die, die das nicht macht, bekommt die Arbeit aufgedrückt.

Man hat das Gefühl: Jeder macht, was er will. Ich hatte das über eine Firma in den Bewertungen gelesen, für die ich gearbeitet habe. Es war wirklich so, ich kann diese Aussage bestätigen. In einer anderen war die Formulierung geläufig: „Das habe ich über den Zaun geworfen bekommen.“ Damit war gemeint, dass ein anderer Kollege diese Arbeit vollständig abgetreten hat und sich nicht mehr verantwortlich und zuständig dafür fühlt.

Dienstzeugnis oder die letzte Schlacht

Irgendwann hast Du Dich entschieden, das ’système malade‘ zu verlassen. Du hast gekündigt. Die Führungsliga inklusive Personaler sind pissig. Falls es in Deiner Firma einen Personalrat gibt, ist es spätestens jetzt eine gute Idee, diesen einzubinden. Denn das letzte Macht-Instrument ist noch nicht ausgespielt und Dein Zeugnis noch nicht geschrieben.

Ich weiß, eigentlich willst Du das nur abschließen – und das ganze Hick-Hack kostet Dich viel Kraft. Das Arbeits-Zeugnis ist die Eintrittskarte in Deinen nächsten Job. Wenn Du den schon hast, wird es für den übernächsten eine Rolle spielen. Außerdem geht es jetzt auch darum, wie Du die krankmachende Arbeitsstelle verlässt. Denn: Nach dem Spiel ist vor dem (nächsten) Spiel. Je nachdem, wie Dein Ausstieg gelaufen ist, reagiert Dein Nervensystem anders. Den grünen Bereich, wo alle gut kommunizieren, Du Dich in Sicherheit fühlst und alle nett zueinander sind, hast Du verlassen. Ob Du kämpferisch raus gehst und die Flucht antrittst (gelber Bereich) oder immobil im Totstell-Reflex verharrst und nur überlebst (was dem roten Bereich entspricht), macht einen entscheidenden Unterschied für Dein Nervensystem.

Die meisten Firmen gehen sowieso in Dialog mit Dir und lassen Dich die Vorabversion lesen, bevor sie Dir das endgültige übermitteln. Meine Empfehlung: Lass das Zeugnis von einer Fach-Person prüfen. Du hast ein Anrecht auf ein wohlwollendes vollständiges Zeugnis. Du hast Jahre lang den Zirkus mitgemacht, Dich engagiert und deshalb auch ein gutes Arbeits-Zeugnis verdient. Wenn Deine Führungsliga nicht glücklich ist, dass Du sie verlässt, macht das Deine gute Arbeit nicht wett.

Verpflichtung zur Vollständigkeit beim Arbeits-Zeugnis

Im Dienstzeugnis sollte stehen, wie Dein Umgang mit Kunden, Vorgesetzten und Kollegen war. Das bedeutet, wie Du Dich bei der Arbeit verhalten hast. Auf der Seite admin.ch ist dieser Punkt gelistet: „Vollständigkeit (z.B. darf nicht die Beurteilung des Verhaltens weggelassen werden)“ 1In Deutschland oder Österreich ist die Gesetzeslage auch nicht anders. Falls der Punkt „vergessen“ wurde, hast Du das Recht, ein vollständiges Zeugnis zu verlangen. Es ergibt Sinn, diesen fehlenden Satz nachzufordern. Ein Dienstzeugnis ohne diesen Hinweis zu Deinem Verhalten ist ein Negativ-Hinweis für Deine zukünftigen Arbeitgeber. Deshalb ist Reklamieren wichtig.

Ich hatte das schon erlebt, was ich im Absatz oben beschrieben habe. Ein Schweizer Chef hatte mir auch einmal ein Dienstzeugnis ausstellen wollen, das viele Sätze im Passiv enthielt. Als ich das reklamierte, sagte er, das würde man so in der Schweiz sagen. Ich bestand trotzdem auf meine Verbesserungen. Ein anderes Unternehmen wollte schreiben, dass ich in dem Job die Grundlagen der IT bei ihnen gelernt habe. Das habe ich natürlich auch reklamiert, weil es in keinster Weise der Wahrheit entsprach. Auch das ist nicht rechtens, denn „wahrheitsgetreue Aussagen2 sind verpflichtend.

Zwischenzeugnis und Abschlusszeugnis

In Deutschland kann man ein Arbeits-Zeugnis nicht jederzeit anfordern und hat dann ein Anrecht darauf, in der Schweiz3 und in Österreich4 schon. Es ergibt Sinn, wenn Du ein Zwischenzeugnis vor der Kündigung anfragst. Auch in Deutschland hast Du ein Recht darauf, wenn sich Dein Abseitsverhältnis verändert, z.B. weil Dein Teamleiter bzw. Dein Vorgesetzter wechselt oder sich Dein Arbeitsplatz wegen Umstrukturierungen verändert.

Wenn Dein Abschlusszeugnis schlechter ausgefallen ist als das Zwischenzeugnis, dann solltest Du reklamieren und nachfragen, an was das liegt. Auch das habe ich schon erlebt und eine unbefriedigende Antwort vom Personaler bekommen, als ich nachgehakt habe. Meine neuerliche Antwort hat die Firma veranlasst, mir doch die gleiche Version wie beim Zwischenzeugnis zu geben. Ich habe die letzte Schlacht mit ihnen gewonnen. Meine Partnerin meinte, dass die auch nicht einschätzen konnten, ob ich vor das Arbeitsgericht gehe. Ich hatte mir diesbezüglich nicht in die Karten schauen lassen. Eine Klage wäre wahrscheinlich positiv für mich ausgegangen, denn das Zwischenzeugnis ist verbindlich.5 Das sehr gute Zwischenzeugnis und meine Reklamationen, ohne locker zu lassen, haben das Endzeugnis gerettet.

Probleme mit dem Zeugnis

Für mich bedeutete das nochmals viel Aufregung rund um einen Arbeitgeber, mit dem ich schon abgeschlossen habe. Aber die letzte Schlacht hat sich gelohnt, denn das Arbeits-Zeugnis ist die Eintrittskarte für eine neue Anstellung. Ich hatte einmal ein Abschlusszeugnis, das den Firmen, bei denen ich mich beworben hatte, suspekt vorkam. Sogar die Headhunter wollten Referenzen, weil sie nicht einschätzen konnten, warum das Arbeits-Zeugnis so aussah. Mein damaliger Vorgesetzter war Däne und die Firma hatte englisch als Dienstsprache. Ich wusste nicht, dass ich mir mit diesem Zeugnis so schwer tat, aber ich war trotz dem gefragten Job IT-Techniker ein knappes Jahr arbeitslos.

Bitte schreib mich an, wenn ich Dich in Deiner Sache unterstützen soll. Kontakt-Aufnahme


1 https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Personenfreizugigkeit_Arbeitsbeziehungen/Arbeitsrecht/FAQ_zum_privaten_Arbeitsrecht/arbeitszeugnis.html Arbeitszeugnis – Welchen Anforderungen muss ein Vollzeugnis genügen? – abgerufen am 2025-07-11

2 ebd., wie Fußnote 1

3 https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Personenfreizugigkeit_Arbeitsbeziehungen/Arbeitsrecht/FAQ_zum_privaten_Arbeitsrecht/arbeitszeugnis.html Arbeitszeugnis – Hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ein Recht auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses? – abgerufen am 2025-07-11

4 vgl. https://www.arbeiterkammer.at/dienstzeugnis Dienstzeugnis – Endzeugnis und Zwischenzeugnis, abgerufen am 2025-07-11

5 vgl. https://www.beobachter.ch/arbeit-bildung/arbeitsrecht/mieses-zeugnis-akzeptieren-16622 Arbeitsleistung – Mieses Zeugnis akzeptieren? – abgerufen am 2025-07-11

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